#1

Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 29.07.2024 21:48
von Sternensegler-Mama • 5 Beiträge | 5 Punkte

Ich habe einige Tage überlegt, ob ich hier schreiben darf. Denn wir haben unseren kleinen Sternensegler verloren, weil wir die Schwangerschaft abbrechen mussten. Es war und ist die schlimmste Entscheidung meines Lebens. Irgendwie unanbdingbar, aber trotzdem unendlich schwer und traurig. Ich versuche mal zu erklären, was passiert ist. Mein Mann und ich haben inzwischen 2 kleinen Jungs, der Weg dahin war aber total schwierig. Lange binbich gar nicht schwanger geworden. Dann nach fast 1 Jahr eine frühe Fehlgeburt. Danach Kinderwunschzentrum. 6 Monate GvNP mit hormoneller Stimulation, 2 IUIs, alles negativ. Dann ICSI, von 6 Eizellen nur eine bedruchtet. Daraus entstand unsere Sternentochter. Wir haben unser erstes Kind, ein Mädchen, in der 23 SSW tot geboren. Ich hatte eine Trombose in der Plazenta. Die beiden Folgeschwangerschaften sind völlig überraschend spontan entstanden und waren sehr angstbesetzt. Bei unserem 1. Sohn habe ich dann trotz Einleitungsmedikamenten keine Wehen bekommen und es wurde ein Wunschkaiserschnitt gemacht. Die Ärzte haben sehr betont auf meinen Wunsch und ohne medizinische Indikation - am Ende hat sich herausgestellt, dass er eine dreifache Nabelschnurumschlingung hatte. Eine variable Geburt hätte er vermutlich nicht überlebt. In der Schwangerschaft mit unserem 2. Sohn wollte ich wieder einen Kaiserschnitt aus Angst vor einer Ruptur. Uns wurde empfohlen, es erstmal spontan zu versuchen. Ich habe auf den Kaiserschnitt bestanden. Nach dem 1. Schnitt sagte die Chirurgin dann, dass bei Wehen der Uterus vermutlich komplett gerissen wäre. Mit Lebensgefahr für Mutter und vermutlich tödlich für das Kind. Sie hat uns von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten. In bislang 3 Schwangerschaften haben mir die Ärzte immer gesagt, es ist alles gut. Einmal ist das Kind gestorben, zweimal war es knapp. Die Schwangerschaft mit unserem Sternensegler war ungeplant, weil uns ja von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten wurde. Und es kam genau so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Die Kaiserschnittnarbe war nach der Ruptur auch in dieser Schwangerschaft sehr dünn und zum Teil offen und dehiszent. Die Pränataldiagnostikerin hat uns gesagt, dass es sehr riskant wäre, die Schwangerschaft vorzuführen. Ich mit dem notwendigen Blutverdünner im Falle einer Ruptur mit lebensbedrohlichen Blutungen rechnen muss. Das Kind und ich sterben könnten und mein Mann am Ende allein mit unseren beiden Kindern dastehen könnte. Meine Mutter ist gestorben als ich Kind war, ich wollte auf keinen Fall, dass auch meine Söhne ohne Mutter und mit trauerndem Vater aufwachsen müssen. Jetzt sind wir gewarnt worden und trotzdem kann ich mir den Abbruch kaum verzeihen und bin unendlich traurig, dass wir es nicht gewagt haben. Vielleicht hätten wir auch mal Glück gehabt. Mein Mann sagt, wir haben dem Schicksal zwei gesunde Kinder abgerungen und etwas wagen, wenn der negative Ausgang fatal wäre, dazu war er nicht bereit. Ich bin so traurig, dass der Sternensegler nicht zu uns kommen konnte und meine Angst zu groß war. Entschuldigt den langen Text, es ist so schwierig für mich, zu verstehen, was passiert ist. Liebe Grüße Sarah

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#2

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 30.07.2024 05:30
von Susanne • 4.775 Beiträge | 4793 Punkte

Liebe Sarah, herzlich Willkommen und mein Mitgefühl für all Deine Schicksalsschläge und die wirklich schweren Situationen, vor denen Du standest.
Vorweg- natürlich darfst Du hier schreiben, bist hier richtig und brauchst Dich für nichts zu entschuldigen.
Ich kann Eure Entscheidung nachvollziehen, da die Konsequenzen zu weitreichend und schwerwiegend gewesen wären und die "Nutzen-Risiko"- Abwägung euch diese Entscheidung nur nahe legen konnte, "Trial and Error" ist keine echte Option gewesen bei diesem viel zu hohen Risiko für Euer beider Tod. Auch kann ich Deine Schuldgefühle verstehen, da ihr den Tod nun selber entschieden und aktiv herbeigeführt habt.
Magst Du erzählen in welcher Woche Du da warst und wie der Abbruch ablief, wie war die Betreuung und das Kennenlernen und der Abschied? Wie lange ist es her? Wie geht Dein Partner und deine Kinder mit dem Verlust um? Fühl Dich gedrückt, Susanne


zuletzt bearbeitet 30.07.2024 05:34 | nach oben springen

#3

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 30.07.2024 14:41
von Sternensegler-Mama • 5 Beiträge | 5 Punkte

Liebe Susanne, vielen Dank für Deine wertschätzenden und anteilnehmenden Worte.
Ich war in der 9.SSW. Selbst an der ungedehnten Gebährmutter war schon sichtbar, dass die Naht nur 1,7mm dick war, an der dicksten Stelle und dazu nicht wirklich durchging, sondern Brüche aufwies. Ich habe operativ abbrechen müssen, da ein medikamentöser Abbruch zu riskant war. Der Tag war furchtbar, der Gang zur Klinik wie aus einem Horrorfilm. Ich habe es kaum ausgehalten. 2 Stunden vor dem Abbruch sollte ich eine Tablette Cyclotec orange nehmen. Schon nach etwa 1 Stunde hat sich ganz viel braunes, klumpiges und geronnenes Blut gelöst. Da war ich noch gar nicht in der Klinik angekommen. Ich hatte gefragt, ob ich den Embryo mitnehmen kann und immer noch total Angst, dass ich ihn schon vor der Absaugung verloren hatte. Sie haben mir ein kleines Gefäß mitgegeben, dass ich in einem Holzsärgchen im Garten begraben habe mit meinem Mann. Auf den Deckel habe ich mit den Fingerfarben unserer Kinder ein kleines Segelboot mit Sternen gemalt. Ich weiß nicht, ob vor der Absaugung noch ein Ultraschall gemacht wurde. Es hat mich sehr erschrocken, dass schon durch eine Tablette Cytotec so starke Blutungen ausgelöst wurden von so dunklem braunen Blut. Mein Mann ist in erster Linie erleichtert, dass er mich nicht mehr in Gefahr fühlt. Getreu dem Motto den eigenen Tod stirbt man nur, hatte ich wenig Angst selbst zu sterben, sondern mehr, dass meine Kinder 3 und 6 jährig so etwas erleben müssen.

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#4

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 30.07.2024 15:04
von Susanne • 4.775 Beiträge | 4793 Punkte

Es ist schön, dass man es euch nicht verwehrt hat euer Kind mitzunehmen. Das ist leider oft nicht so einfach, auch wenn in den Bestattungsgesetzen eine Fehlgeburt kein Leichnam ist und somit auch die Gesetze da nicht angewendet werden dürfen. Es klingt so als konntet ihr gut Abschied nehmen. Oft ist es so, dass bei auch unerwarteten Schwangerschaften auf einmal der Kinderwunsch überraschend aufflammt und man auf einmal merkt, dass man sich durchaus noch ein Kind vorstellen könnte. Wie ist es bei dir? Auch wenn es rein sachlich betrachtet nicht sein soll, kann es dennoch ja emotional so sein.


zuletzt bearbeitet 30.07.2024 15:05 | nach oben springen

#5

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 30.07.2024 21:16
von Katrin • 524 Beiträge | 524 Punkte

Liebe Sarah, wie hart, was ihr durchmachen musstet und wie schrecklich, so eine Entscheidung treffen zu müssen. Mein Mitgefühl. Das stelle ich mir noch grausamer vor, als wenn die Natur (oder wer auch immer) entscheidet.
Ich wünsche euch alles Gute und dass du irgendwann Frieden damit schließen kannst, auch wenn das sicher noch ein langer, schwieriger Weg wird.

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#6

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 31.07.2024 11:21
von Sternensegler-Mama • 5 Beiträge | 5 Punkte

Liebe Katrin, auch Dir vielen Dank für Deine einfühlsamen Worte. Es tut sehr gut, mich verstanden zu fühlen. Bislang habe ich im realen Leben niemandem vom Sternensegler und unserer furchtbaren Entscheidung erzählt. Ich schäme mich so, dass ich nicht den Mut aufgebracht habe, es wenigstens zu versuchen. Aber ich hätte Tage, Wochen und Monate mit einer täglich zunehmenden Angst vor einer Uterrusruptur leben müssen, der Angst, dass das Kind wieder in meinem Bauch oder sogar mit mir stirbt. Mein Mann hat ganz klar gesagt, er hätte sich niemals auf ein Fortführen der Schwangerschaft eingelassen , wenn dieses hohe Risiko einzugehen ist. Manchmal denke ich, ich hätte meinem Mann gar nicht erzählen dürfen, wie riskant es ist, sondern einfach sagen: Alles ok!?

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#7

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 31.07.2024 11:31
von Sternensegler-Mama • 5 Beiträge | 5 Punkte

Liebe Susanne,
Da hast du recht - nachdem ich nie geplant schwanger geworden bin, habe ich sehr darum gekämpft den Kinderwunsch nicht unser Leben bestimmen zu lassen. Als dann die gedeckte Uterrusruptur beim 2. KS und die klare Rückmeldung kam, keine weitere Schwangerschaft einzugehen, habe ich Jahre gebraucht mich vom dritten Kinderwunsch zu verabschieden. War damit seit diesem Frühjahr endlich durch den Schmerz gegangen in einen guten Abschluss- jetzt ist die Sehnsucht nach einem Baby wieder da. Es schmerzt so, dass mein Körper dazu nicht in der Lage ist.

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#8

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 31.07.2024 11:50
von Susanne • 4.775 Beiträge | 4793 Punkte

Das kann ich sehr gut verstehen, der Kinderwunsch verursacht manchesmal eine geradezu brennende Sehnsucht, die nur schwer auszuhalten ist. Diese bleibende Lücke muss man erstmal lernen zu füllen und mit ihr umzugehen. Jede Schwangere macht lange zeit traurig, jeder Kinderwagen schmerzt. Es ist eine echte Herausforderung Akzeptanz für diese endgültigkeit aufzubringen und den Kopf und Seele frei zu machen. Ist eine Schwangerschaft unerwartet eingetreten, fragt man sich auch oft "wollte das Schicksal es so?", "durfte ich einer höheren Macht ins Handwerk pfuschen?", "war es die richtige Entscheidung?", "bin ich nun ein schlechter Mensch?". Viele fiese, quälende Fragen, die nicht zu Heilung beitragen, sondern die Wunfe offen halten. Bei Schuldgefühlen ist ein Brief an Kind manchmal hilfreich, man kann sich entschuldigen, erklären, seine Gefühle und die liebe ausdrücken. Vielleicht eine Idee?


zuletzt bearbeitet 31.07.2024 11:51 | nach oben springen

#9

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 01.08.2024 13:54
von Sternensegler-Mama • 5 Beiträge | 5 Punkte

Liebe Susanne, einen Brief an unseren Sternensegler zu schreiben, finde ich eine schöne Idee. Mich quält sehr der Gedanke, dass der Embryo möglicherweise schon abgeblutet war bei der Ausschabung. Ich verstehe nicht, warum ich schon von einer Cytotec Tablette so starke Blutungen bekommen habe. Im Vorgespräch war mir gesagt worden, dass die Tablette nur den Muttermund weich machen soll. Ich frage mich auch, woher das ganze bräunlich Blut kam. Hatte immer gedacht braunes Blut sei altes Blut. Vielleicht war es schon vorher da und hat sich durch das Weichwerden des Muttermundes dann gezeigt? Meine Gyn hatte nur gesagt, dass sehr viel "Schleim" in der Gebährmutter wäre. Könnte das Blut gewesen sein oder kann man Schleim und Blut auf dem US unterscheiden?
Ich würde den Brief an den Sternensegler gerne im Garten zu ihm legen, aber was, wenn er da gar nicht ist, sondern vorher schon ausgeblutet war?
Ich merke gerade, dass viele dysfunktionale Gedanken entstehen, zu Fragen der Schuld, zu Fragen von Ethik: Darf ich mein Leben über das des Kindes stellen? Es hätte immerhin sein können, dass das Kind eine Ruptur überlebt.

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#10

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 01.08.2024 15:23
von Susanne • 4.775 Beiträge | 4793 Punkte

Ich denke, dass Du es bemerkt hättest, wenn im Vorfeld (vor der OP) bei der Blutung Euer Kind schon gegangen wäre. In der 9. Woche ist die Fruchtblase so groß, dass sie nicht unbemerkt geht. Du kannst Dir bei den Fotos einen Eindruck machen. Braunes Blut ist altes Blut, vielleicht hattest Du ein Hämatom, was schon in die Gebärmutter geblutet hatte? Schleimhaut, Schwangerschaftsgewebe oder Blut lassen sich im US nicht unterscheiden. Ich würde einfach nun davon ausgehen, dass Euer Sternensegler im Garten bei Euch ist.

Zu den Fragen und meine Sicht darauf: Du hast die Entscheidung für Deine Kinder getroffen, damit sie nicht ohne Mutter aufwachsen müssen. Was wäre gewesen, wenn Sternensegler überlebt und du tot wärst? Was wäre das für ein trauriges Leben für Sternensegler, Deine anderen beiden und deinen Mann geworden. Das wäre in meinem Augen eine schlechtere Entscheidung für alle Hinterbliebenen gewesen. Ich denke nicht, dass deine Intention war dein Leben um deinetwillen zu schützen, sondern das Überleben und das Lebensglück deiner Kinder zu sichern. Du hast Verantwortung für Deine Familie übernommen und das ist doch die Aufgabe von Eltern.
Ich habe vor 2 Jahren eine Frau begleitet, die eine Uterusruptur hatte, das Kind hatte sich in der KS Narbe eingenistet. Sie überlebte knapp, das Kind starb in der 32. Woche bei der Ruptur. Es war sofort tot, ohne Chance. Sie hätte auch einen Sohn hinterlassen. Sie wusste jedoch nichts von dem Sitz der Schwangerschaft, womöglich hätte sie dann eher abgebrochen, weil das Risiko für solche Schwangerschaften einfach unüberblickbar groß ist. Ihr hattet die Möglichkeit und euch blieb fast keine andere Wahl. In solchen Fällen ist die medizinische Indikation immer ein Abbruch, kein Arzt würden zum Weitertragen raten. Dennoch kann ich Deine Schuldgefühle durchaus verstehen, sie bringen dich am Ende des Tages aber nicht in deiner Trauer weiter.


zuletzt bearbeitet 02.08.2024 06:11 | nach oben springen

#11

RE: Verlust vom Sternensegler nach medizinisch-induzierten Abbruch

in Eure Geschichte 01.08.2024 23:15
von Katrin • 524 Beiträge | 524 Punkte

Liebe Sarah,
es tut mir leid, dass die Schuldgefühle dich so quälen. Du hattest doch kaum eine andere Wahl. Gerade wenn dein Mann da so klar war. Etwas so Wichtiges hättest du ihm doch auch nicht verschweigen können und wollen und dürfen.
Wenn die Chancen so schlecht standen, sah es ja nicht nur für dein Leben schlecht aus, sondern auch für euer Baby. Eine kleine Chance auf ein gesundes Kind gegen das enorme Risiko...
Ihr habt eine Entscheidung für eure Familie getroffen, nicht gegen euer Baby.
Vielleicht hat Cytotec auch so stark gewirkt, weil ohnehin nicht alles in Ordnung war mit dem Embryo und es auch ohne Abbruch nicht mehr lang hätte leben können? Vielleicht hatte die Natur schon entschieden?
Ich wünsche dir, dass du die Schuldgefühle mit der Zeit hinter dir lassen und in Ruhe trauern kannst!

zuletzt bearbeitet 01.08.2024 23:19 | nach oben springen


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